BORIS Theses

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Für die Lebenden und für die Toten

Huber Hernández, Ariane (2015). Für die Lebenden und für die Toten. (Thesis). Universität Bern, Bern

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Abstract

„Nichts ist gewisser als der Tod und nichts ungewisser als die Stunde des Todes.“ Diese Reflexion über die „conditio humana“ steht in der Einleitung vieler spätmittelalterlicher und so auch zahlreicher bernischer Testamente. Prägnant und gerade deshalb viel zitiert, fasst der Satz zusammen, was Menschen über die Grenzen von Zeit und Raum verbindet. Auch wenn sich die Haltung und der Umgang mit dem Sterben und dem Tod gewandelt haben, gehören sie zu den grossen Lebensthemen. Während zumindest in der modernen westlichen Welt grösstenteils in der Zurückgezogenheit gestorben, um die Toten getrauert und ihrer gedacht wird, pflegten die bernischen Stadtbewohner des Spätmittelalters, welche die Hauptakteure dieser Arbeit darstellen, einen anderen Umgang mit dem Tod: Die Kindersterblichkeit war hoch, die Gefahren, eine Geburt oder eine Krankheit nicht zu überleben oder an den Folgen eines Unfalls oder einer kämpferischen Auseinandersetzung zu sterben, gehörten zum Alltag. Keine Familie blieb davon verschont, und wer es nicht wahrhaben wollte, dass das Leben früher oder später endete, brauchte nur einer Hinrichtung beizuwohnen, die am Galgen vor der Stadt baumelnden Kadaver zu sehen oder beim Weg zur Messe den Blick auf die Beinhäuser mit ihren aufgetürmten Schädeln und Knochen zu richten. Liessen Männer und Frauen ihre sterblichen Hüllen zurück, erwartete sie jedoch nicht eine Reise ins Unbekannte, sondern es herrschte die Gewissheit, dass sie sich für ihre guten und schlechten Taten auf Erden vor dem himmlischen Richter zu verantworten hätten. Diesem Urteil entsprechend sah man entweder der ewigen Verdammnis oder der individuell berechneten Zeit im Fegefeuer entgegen. Nach dem Individualgericht wartete am Ende der Zeit das Weltgericht und damit verbunden die Hoffnung eines jeden Einzelnen auf die Gnade Gottes zur Erlangung des ewigen Lebens. Um besonders das erste Gericht milde zu stimmen, ordneten die Berner wie ihre Zeitgenossen in ganz Europa auf ihren Todfall, unter anderem in Form von letztwilligen Verfügungen, Vergabungen an die Kirche und an karitative Einrichtungen an. Diese dienten zur Förderung sowohl des eigenen Seelenheils als auch jenes der bereits Verschiedenen. Die Sorge galt jedoch nicht allein dem Wohlergehen der Toten im Jenseits; die Verantwortung gegenüber den Lebenden im Diesseits trieb den Erblassenden ebenso um. Mithilfe eines Testaments sollte die Verteilung des Nachlasses in geregelten Bahnen nach dem Willen des Verstorbenen verlaufen und Zwistigkeiten unter den Erbanwärtern vermieden werden. Die Furcht, vom plötzlichen Tod ereilt zu werden und die letzten Vorkehrungen für die Lebenden und für die Toten nicht mehr rechtzeitig treffen zu können, trieb einige Leute dazu, vorsorglich ein Testament zu errichten. Mit diesem Rechtsinstrument konnte dem unvorhersehbaren eigenen Tod etwas von seiner Tücke genommen werden. Es mag die Erblasserinnen und Erblasser zudem bereits zu Lebzeiten erleichtert haben, in Anbetracht der menschlichen Vergänglichkeit ihr Möglichstes getan zu haben.

Item Type: Thesis
Dissertation Type: Single
Date of Defense: March 2015
Subjects: 900 History > 940 History of Europe
Institute / Center: 06 Faculty of Humanities > Department of History and Archaeology > Institute of History > Medieval History
Depositing User: Hammer Igor
Date Deposited: 12 Apr 2019 10:25
Last Modified: 12 Apr 2019 10:25
URI: https://boristheses.unibe.ch/id/eprint/1076

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