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Viele Psychopharmaka, viele Stürze? Eine retrospektive Untersuchung potenzieller Effekte von Psychopharmaka auf die Sturzfrequenz in der Akutgeriatrie

Huser, Kathrin Aisha Maria (2021). Viele Psychopharmaka, viele Stürze? Eine retrospektive Untersuchung potenzieller Effekte von Psychopharmaka auf die Sturzfrequenz in der Akutgeriatrie. (Thesis). Universität Bern, Bern

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Abstract

Stürze im Spital stellen besonders in der Akutgeriatrie eine grosse Herausforderung dar. Sie beeinflussen die Aufenthaltsdauer und können zu schwerwiegenden Verletzungen führen. In der Schweiz werden Stürze als Qualitätsmerkmal von Akutspitälern systematisch erfasst und gemeldet. Die Zahlen dienen als Benchmark und als Grundlage zur Erarbeitung sturzpräventiver Massnahmen in den teilnehmenden Institutionen. Sie spiegeln aber nicht unbedingt die Realität in Akutgeriatrien wieder. Aufgrund bestehender Co-Morbiditäten und Mobilitätseinschränkungen sind gerade sehr alte Menschen im Spital besonders sturzgefährdet. Gründe hierfür sind unter anderem Schlafstörungen und nächtliche - teilweise durch Delirien induzierte - Unruhe, die oft zur Verordnung von psychoaktiven Medikamenten führen. Die Zusammenhänge zwischen der Einnahme psychoaktiver Substanzen und der Zahl von Stürzen in der Akutgeriatrie waren bisher unklar. Zudem existierte unseres Wissens wenig Information darüber, ob in der Geriatrie als potenziell inadäquat eingestufte psychoaktive Medikamente (PIM) mehr Stürze induzieren als solche, die nicht als PIM gelten. Wir analysierten in einer retrospektiven Kohortenstudie die Daten unserer Sturzprotokolle aus den Jahren 2012-2014. Wir erfassten alle Personen, die mindestens ein Sturzereignis erlitten. Parallel hierzu extrahierten wir aus der Klinikdokumentation die Ergebnisse des geriatrischen Assessments (Mini-Mental Status, Timed-Up and Go Test), alle Psychopharmaka, die mindestens 72 Stunden vor dem ersten Sturz verabreicht worden waren und Informationen über das Vorliegen eines Deliriums sowie die klinische Einschätzung des Sturzrisikos. Die Daten wurden anhand ihrer Struktur (kategorisch, kontinuierlich) kodiert und mit hierfür geeigneten statistischen Tests (Chi2, t-Test, logistische Regression mit Berechnung der Odds Ratio) analysiert. Ein p-Wert von <0.05 bedeutete statistische Signifikanz. In der Beobachtungsperiode erlitten 359 Personen (12% aller hospitalisierten Personen) ≥ 1 Sturzereignis mit insgesamt 516 Sturzereignissen. Die Sturzrate lag demnach bei insgesamt 8.5 Stürzen /1000 Patiententage. Von den 359 Personen mit ≥ 1 Sturzereignis waren 57% Frauen, das mittlere Alter lag bei 85 Jahren. 54% aller Sturzereignisse traten unter Einfluss von Neuroleptika auf, 45% unter Benzodiazepinen. Die Gruppe der 85-89-Jährigen machte mit 122 Personen den grössten Anteil der Personen mit ≥ 1 Sturzereignis aus. Insgesamt wurden 67% aller Personen mit ≥ 1 Sturzereignis bereits bei Eintritt als sturzgefährdet eingestuft, 33% der Patienten mit ≥ 1 Sturzereignis wurden bei Eintritt nicht als sturzgefährdet eingestuft. Personen mit einem Delir hatten nach einem ersten Sturz häufiger weitere Stürze als solche ohne Delir (< 0.001). Ebenso hatten Personen, die bei Eintritt als sturzgefährdet eingestuft wurden, nach dem ersten Sturz häufiger weitere Stürze als solche, die als nicht sturzgefährdet eingestuft waren (p=0.009). Weiter erhöhte die Zahl der eingenommenen psychoaktiven Substanzen das Risiko für zusätzliche Stürze nach einem ersten Sturz: die OR für zusätzliche Stürze bei einer Substanz lag bei 1.4 (95% CI 0.6-3.5, p=0.4), bei fünf Substanzen bei 7.28 (95% CI 2.1-27.7, p=0.002). Die Einnahme von psychoaktiven Substanzen aus der PIM Liste war dagegen nicht assoziiert mit dem Risiko zusätzlicher Stürze nach einem ersten Sturz. In der Akutgeriatrie verwendete Psychopharmaka vom Typ Neuroleptika und Benzodiazepine sollten, auch wenn ein Delir vorliegt, wegen ihres hohen Risikos für rezidivierende Stürze mit besonderer Vorsicht eingesetzt werden. Da die Zahl der Substanzen klar das Risiko für multiple Stürze erhöht, sollte deren Indikation auf jeder Visite kritisch überdacht werden. Das gilt in besonderem Masse für die Verordnung von Reservemedikamenten gegen Unruhe und Schlafstörung.

Item Type: Thesis
Dissertation Type: Single
Date of Defense: 20 October 2021
Subjects: 600 Technology > 610 Medicine & health
Institute / Center: 04 Faculty of Medicine > Department of General Internal Medicine (DAIM) > Geriatric Clinic
Depositing User: Hammer Igor
Date Deposited: 13 Aug 2024 07:14
Last Modified: 18 Aug 2024 02:07
URI: https://boristheses.unibe.ch/id/eprint/5350

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