Rezaei-Tazik, Mahdi (2021). Ahmad-e Kasrawīs Konzept einer «reinen Religion» (pākdīnī) im Dienste eines vereinten und fortschrittlichen Iran: Ein Beitrag zur Religionskritik im Iran. (Thesis). Universität Bern, Bern
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Abstract
Ahmad-e Kasrawī (1890-1946) gehört zu den meistgelesenen und einflussreichsten Religionskritikern des Iran. Er verfügte über einen kritischen Geist und die Vernunft war ihm wichtiger als jeder ‘heili-ge’ Text . Wie Voltaire schrieb er für ein breites Publikum. Er erreicht bis heute eine sehr grosse Leserschaft im Iran und in der iranischen Diaspora im Westen. Kasrawī war der einzige iranische Dissident im 20. Jahrhundert, der es im Iran wagte, den Islam seiner Zeit mit all seinen Ausprägungen als Religionslosigkeit zu erklären und seine Beseitigung anzustreben. Gegen keinen anderen iranischen Religionskritiker wurden so viele Schriften verfasst wie gegen Kasrawī. Es ist mittlerweile unbestritten, dass er einen grossen Beitrag zur Fortführung des Diskurses um die Religionskritik im Iran im 20. Jahrhundert leistete. Mit der vorliegenden Arbeit wird der Versuch unternommen, Kasrawīs Religionsverständnis und seine Religionskritik werkimmanent und ganzheitlich zusammen mit einer repräsentativen Rezeptionsgeschichte darzustellen. Damit wird das Ziel verfolgt, ein Desiderat in der Wissenschaft einzulösen sowie einen Beitrag zum Diskurs rund um die Religionskritik in der sogenannten islamischen Welt zu leisten. Die werkimmanente Inhaltsanalyse von Kasrawīs Schriften orientiert sich an den folgenden Fragen: (I) Warum verschreibt sich Kasrawī der Religion und der Religionskritik? (II) Was versteht Kasrawī unter Religion? (III) Welches sind die wichtigsten Gegenstände der Religionskritik bei Kasrawī? (IV) Wie wurde und wird Kasrawīs Religionsverständnis und seine Religionskritik historisch aber auch gegenwartsbezogen rezipiert? Im Folgenden werden die Antworten auf diese Fragen präsentiert. (I) Kasrawī wirkte als weltoffener Nationalist in den letzten vierzehn Jahren seines Lebens wie ein Prophet. Als Kind seiner Zeit versuchte er auf die jeweiligen nationalen aber auch internationalen Herausforderungen vorwiegend mit Hilfe der Religion Lösungen zu finden. Deshalb können seine Beweggründe für die Auseinandersetzung mit Religion nicht losgelöst von den Zuständen sowohl im Iran und im Osten als auch in Europa verstanden werden. Zwei wichtige Beweggründe konnten identifiziert werden. (1) Zwischen der konstitutionellen Revolution (1905-1911) und der Machtübernahme der Regierung von Rezā Shāh-e Pahlawī (um 1920) stürzte der Iran ins Chaos. In der Folge entstanden separatistische Bewegungen. Deshalb engagierten sich zahlreiche iranische Dissidenten für die Einheit des Landes. Dieses Engagement ging zum Teil mit einem Plädoyer für die Auflösung der sprachlichen und ethnischen Vielfalt einher. Kasrawī kam mit diesen Ideen und Plädoyers in Berührung. Er war überzeugt, dass man die religiös-sprachliche Vielfalt und die heterogen-weltlichen Ideen ausrotten musste und wollte seine Pākdīnī (reine Religion) durchsetzen. Denn er glaubte, mit einer Einheitsreligion und einer einzigen Art des Denkens im Alleingang eine Einheit unter dem iranischen Volk herstellen und den Iran sowie den Osten von der Rückständigkeit befreien zu können. Im Hinblick auf den kriegerischen Zeitgeist Europas hoffte er mit seiner Pākdīnī Weltfrieden zu schaffen. (2) Kasrawī nahm den herrschenden Diskurs in Europa als sozialdarwinistisch wahr. Er glaubte in der Europäisierung des Iran und des Ostens eine wirtschaftlich-soziale Desintegration, die Verbreitung des Atheismus und den Verlust der Moral zu sehen. In Reaktion darauf bekämpfte er die Europäisierung vorwiegend auf kulturellem Gebiet, verteidigte die Religion und begann diese neu zu deuten. Moral und Solidarität wollte er über die Religion vermitteln. Seine wiederholte Betonung dieser Punkte kann als Antwort auf den Sozialdarwinismus verstanden werden. (II) Was Kasrawīs Verständnis der Religion angeht, so betrachtete er sie als notwendig für die Menschheit. Religion war für ihn dynamisch. Er war der Ansicht, dass jede Religion ihr Wesen im Laufe der Zeit verliere und von der nachfolgenden abgelöst werden müsse. Vor diesem Hintergrund gründete er seine Pākdīnī, die er in den Dienst des Diesseits respektive des Staates, aber auch aller Erdbewohner stellte. Pākdīnī zeichnete sich nicht durch eine sakrale und verklausulierte Sprache aus. Sie verfügte über keinen Kult. Der Ausgangpunkt dieser Religion waren Natur und Vernunft, wobei Kasrawīs Verständnis von Letzterer einer Ideologie gleichkommt. Denn er ging von einer einzigen Wahrheit aus. Er war sich über die Grenzen der Vernunft nicht im Klaren und verstand sich selber als unfehlbare Quelle der Vernunft. In seiner Pākdīnī betonte er Humanismus und lehnte Rassismus sowie konventionelles Religionsverständnis, – also die verbreiteten Vorstellungen von Phänomenen wie Gott, Offenbarung, Prophetie, Funktion der Religion usw. – ab und besetzte sie weltlich. Zudem erteilte er mit rationalen und empirischen Argumenten u.a. der Existenz von Engeln und der Möglichkeit von Wundern eine Absage. Denn er war bestrebt, die Religion mit Wissenschaft in Einklang zu bringen. Kasrawīs Einheitsreligion weist Parallelen zum Totalitarismus im 20. Jahrhundert auf. Kasrawī war überzeugt, seine Pākdīnī könne sich als (die einzige) Alternative zu allen Glaubensrichtungen im Iran durchsetzen. Doch sie konnte sich nicht etablieren und verschwand allmählich nach seinem Tode. Die Gründe dafür liegen vielleicht darin, dass er sich mit seinem kompromisslosen Verhalten überall Feinde geschaffen, sich einer sehr weltlichen Sprache bedient und dem Jenseits wenig Gewicht zugeschrieben hatte. Es mag auch sein, dass die Menschen in den vorherrschenden gesellschaftlichen Zuständen kein Bedürfnis nach einer neuen Religion hatten. Dennoch erreichen Kasrawīs kritische Schriften über den Islam und vor allem über die Schia bis heute zahlreiche Auflagen und Rezeptionen. (III) Die wichtigsten Gegenstände von Kasrawīs Religion und Religionskritik sind: Nachahmung Europas auf dem Gebiet der Kultur, griechische Philosophie, Darwins Evolutionstheorie, Materialismus (im philosophischen Sinne), alle existierenden Religionen und Glaubensrichtungen, Aberglauben und Kharābātīgarī. Ausser Darwins Evolutionstheorie waren alle anderen erwähnten Punkte für ihn Irrwege und mit Religion nicht vereinbar. Er kritisierte sie oder versuchte sie zu beseitigen. Mit allen diesen Themen befasste er sich vom Standpunkt seiner Einheitsideologie heraus. Sein Wissen über die griechische Philosophie war äusserst lückenhaft. Er reduzierte sie auf einige wenige Aussagen von Platon und Aristoteles. Seine Rezeption von Darwins Evolutionstheorie war nicht wissenschaftlich. Sie war ausserdem einem Wandel unterworfen. In der letzten Phase seiner Auseinandersetzung mit dieser Theorie war er wohl aus pragmatischen Gründen darum bemüht, sie mit Religion in Einklang zu bringen. Seine Rezeption des Materialismus, den er als grössten Irrweg aller Zeiten verstand, war weder wissenschaftlich noch differenziert. Er sah keinen Unterschied zwischen dem Sozialdarwinismus, den Philosophien von Schopenhauer und Nietzsche und dem historischen Materialismus. In Kasrawīs Augen waren die drei vorislamischen Religionen – Zoroastrismus, Judentum und Christentum – entstellt und überholt. Seine Darstellungen dieser Religionen sind vereinfacht und nicht fundiert. Er ging von einem einzigen existierenden Zoroastrismus, Judentum und Christentum aus und übersah deren unterschiedlichen Ausprägungen. Kasrawī ging von zwei Arten des Islam, dem Urislam und dem Islam der Gegenwart, aus. Er lehnte Letzteren ab. In seinen Augen war der Islam seiner Gegenwart mit dem Leben, der Vernunft, der Wissenschaft und der Religion unvereinbar, weshalb er ihn als veraltet erklärte. Den Koran verstand er als ein göttliches, aber veraltetes Buch. Hinsichtlich des Urislam war seine Einstellung einem radikalen Wandel unterworfen. In der ersten Phase erklärte er ihn wegen der Existenz des Koran als ewig und als Siegel aller Religionen. In der zweiten Phase bezeichnete er ihn als veraltet und verschwunden. Gleichzeitig erklärte er aber sein Fundament als ewig und betonte, er habe seine Pākdīnī auf ihm gegründet, und sie sei die Nachfolgerin des Urislam. Die Schia, die offizielle Glaubensrichtung seiner Zeit im Iran, kritisierte Kasrawī vorwiegend ihrer antistaatlichen Einstellung wegen. Er war wohl der einzige iranische Religionskritiker im 20. Jahrhundert, der vor der islamischen Revolution (1979) seine Leserschaft darüber in Kenntnis zu setzen versuchte, dass die schiitischen Mullas die politische Herrschaft in Wahrheit als ihre eigene verstehen, sie aber nicht übernehmen wollten. Die Entstehung der Islamischen Republik Iran ist der Beweis dafür, dass Kasrawīs These teilweise stimmt. Kasrawīs Auseinandersetzung mit dem Scheichismus, Babismus und Bahaismus weist eine wissenschaftliche und eine theologisch-ideologische Dimension auf. Wenn Kasrawī ihre Entstehunggeschichten darlegt, arbeitetet er wissenschaftlich. Seine jeweiligen Darlegungen entsprechen dem heutigen Wissensstand. Hingegen ist seine Kritik an diesen drei Glaubensrichtungen ideologischer Natur. Denn er setzte sein eigenes Religionsverständnis als Massstab für die Unterscheidung von wahren und falschen Religionen an. Zudem war er sich wohl über die Ähnlichkeit seiner Pākdīnī mit dem Bahaismus nicht im Klaren. Kasrawī befasste sich auch mit vielen Arten des Aberglaubens im Iran und versuchte sie vorwiegend anhand rationaler, aber auch historischer und empirischer Argumente zu widerlegen. Er ist wohl einer der ersten Religionskritiker im Iran (wenn nicht sogar der erste), der verschiedene Arten des Aberglaubens sowohl beschreibt als auch sachlich zu widerlegen versucht. Gemäss Kasrawī demoralisierten Kharābātīgarī und Sufismus die Gesellschaft. Im Ursprung des Sufismus erkannte er die Ideen Plotins. Er nahm ihn vor allem pantheistisch-atheistisch, weltverneinend und vernunftwidrig wahr. Er stellte ihn vereinfacht dar und übersah die Tatsache, dass dieser im Laufe der Geschichte unterschiedliche Entwicklungen durchgemacht hatte. In Khayyām und Hāfez sah er die Anführer von Kharābātīgarī und erachtete nur seine eigene Leseart dieser Dichter als richtig. Zusammenfassend kann gesagt werden: Kasrawī machte in seinem Leben bezüglich der Religion drei Stadien durch. Zuerst verstand er sich als gläubiger Schiit, danach entwickelte er sich zu einem Schia-Kritiker und einem Vertreter des Urislam (interne Religionskritik) und am Schluss erklärte er den Islam und alle anderen Religionen und Glaubensrichtungen als Auslaufmodelle und seine Pākdīnī als Alternative zu ihnen (interreligiöse Religionskritik). (IV) Was die Rezeptionsgeschichte (historisch, aber auch gegenwartbezogen) respektive den Innendiskurs (persisch sprachliche Publikationen) betrifft, kann Folgendes festgestellt werden: Vor der islamischen Revolution wurden selten wissenschaftliche Studien zu den für diese Arbeit relevanten Aspekten von Kasrawīs Schrifttum verfasst. Fast alle vor 1979 entstandenen Rezeptionen zeichnen sich durch eine parteiische Stellungnahme und Polemik aus, um Kasrawīs Ideen abzulehnen. Hingegen wurde und wird Kasrawī nach der islamischen Revolution sowohl im In- wie auch im Ausland stark wissenschaftlich rezipiert. Dies kann möglicherweise mit der Entstehung der Islamischen Republik Iran erklärt werden. Kasrawīs unverschleierte Kritik an der Schia und ihren Anführern mag eine grosse Rolle gespielt haben. Kasrawīs Bemühungen um seine Pākdīnī fanden vor der islamischen Revolution weder unter der breiten Bevölkerung noch unter den Mullas Zustimmung. Letztere bekämpften seine Ideen vor allem mit dem Argument, er verstehe sich als Prophet, erkläre den Islam zu einem Auslaufmodell und stelle seine Pākdīnī als Alternative vor. Im Unterschied zu Kasrawī, der ein dynamisches Verständnis von Religion präsentierte, vertraten seine Gegner im Grunde genommen ein statisches. Sie verteidigten den Islam als letztgültige Religion, die sie als mit den Erfordernissen der Zeit und den Naturwissenschaften vereinbar sahen. Als Beweis bedienten sich einige von ihnen einer ‹wissenschaftlichen Interpretation› des Koran und der Überlieferung. Einige Mullas und Gläubige sahen Ähnlichkeiten zwischen Pākdīnī und Bahaismus. Ausserdem stellten sie, wie auch einzelne Wissenschaftler, die These auf, Kasrawī stehe unter dem Einfluss des Wahhabismus. Diese These kann stimmen. Denn Kasrawīs Religionskritik weist einige Ähnlichkeiten mit dem Wahhabismus auf. Vor der Revolution lobten einzelne Säkularisten zwar Kasrawīs Kampf gegen den Aberglauben, nahmen aber seine religiösen Ansichten nicht in Schutz. Wegen seines Anspruchs auf Prophetie und seiner scharfen Kritik an den bekannten iranischen Dichtern gingen die Säkularisten auf Distanz zu ihm. Kasrawīs Kritik am Anspruch der schiitischen Mullas auf politische Herrschaft, die als die Staatstheorie ‹Herrschaft des Rechtsgelehrten› durch Khomeini umgesetzt wurde, wurde von einigen wenigen Gegnern Kasrawīs vor der Revolution thematisiert. Diese bestritten allerdings einen solchen Anspruch und sagten, ihr Recht beschränke sich auf religiöse Aufsicht über staatliche Angelegenheiten. In der Wissenschaft wurde dieses Thema erst nach der Revolution aufgegriffen und am Rande behandelt. Mit dem Hinweis auf die Entstehung der Islamischen Republik Iran sehen einige Rezipienten Kasrawīs Thesen im Hinblick auf die Schia bestätigt. Es werden allerdings auch einige Ähnlichkeiten zwischen dem Gedankengut Kasrawīs und Khomeinis festgestellt und Ersterer wird für die Entstehung des Islamismus im Iran verantwortlich gemacht. Auch Ähnlichkeiten zwischen dem Gedankengut Kasrawīs und der herrschenden Theokratie im Iran werden ausgemacht. Es wird auch betont, dass die Realisierung von Kasrawīs Ideen nicht zu Demokratie, sondern zu Totalitarismus und Despotismus hätten führen können. Kasrawīs Pākdīnī wurde wegen der Betonung von Vernunft, Diesseitsorientierung, Staat, Moral und Humanismus zum Teil als Zivilreligion oder säkulare Religion bezeichnet. Manchmal wurde Kasrawī im Innendiskurs als Säkularist (im politischen Sinne) verstanden, was vom Autor der vorliegenden Arbeit mit folgender Begründung abgelehnt wird: Zwar lehnte Kasrawī den Islam seiner Gegenwart als Quelle der Rechtsprechung und Gesetzgebung sowie die Einmischung der Mullas in die Politik strikt ab. Dennoch war er kein Säkularist im politisch-modernen Sinne. Denn er zielte darauf ab, die Gesellschaft nach seiner Pākdīnī bzw. seiner eigenen Scharia zu gestalten. Zudem praktizierte er nicht nur keine religiöse Toleranz, sondern engagierte sich für die Vernichtung der religiösen Vielfalt zugunsten seiner Pākdīnī. In der Rezeptionsgeschichte taucht teilweise die These auf, Kasrawīs Religionsverständnis und seine Religionskritik seien unter dem Einfluss von Persönlichkeiten wie Mīrzā Fath ʿAlī-ye Ākhūndzāde (1812-1878), Mīrzā Āghā Khān-e Kermānī (1854/55-1896), Hoseyn-e Kāzemzāde-ye Īrānshahr (1844-1962) und Sheykh Ebrāhīm-e Zandjānī (1855/56-1928/29[?]) entstanden. Diese These wird aber nicht immer fundiert belegt. Es mag sein, dass Kasrawī mindestens mit einem Teil der Schriften Ākhūndzādes vertraut war. Denn er plädierte wie dieser für die Reform der persischen Schrift. Dennoch ist bezüglich der Religionskritik hervorzuheben, dass Ākhūndzāde zweifelsohne eine atheistische Weltanschauung vertrat, die Kasrawī stets bekämpfte. Ein möglicher Einfluss Kermānīs aber auch Zandjānīs auf die Entwicklung von Kasrawīs Religionsverständnis und -kritik konnte vom Autor der vorliegenden Arbeit anhand der Primärquellen bestätigt werden. Schliesslich ist zu erwähnen, dass Kasrawī mit den Ideen Īrānshahrs vertraut war, denn er schrieb für dessen Zeitschrift. Im Innendiskurs wird Kasrawī zu den Vorläufern im Kampf gegen die Europäisierung gezählt. Er soll diesbezüglich zahlreiche bekannte Persönlichkeiten, z.B. Ruhollah Khomeini (1902-1989), Fakhroddīn-e Shādmān (gest. 1967-68), Ahmad-e Fardīd (1910/11-1994) und Djalāl-e Āl-Ahmad (1923-1969), beeinflusst haben. Zum Teil wurde Kasrawīs Āʾīn bezüglich seiner Wirkung mit Āl-e Ahmads Gharbzadegī gleichgesetzt. Aus dem Innendiskurs geht auch hervor, dass das Religionsverständnis bekannter Persönlichkeiten wie ʿAlī Akbar-e Hakamīzāde (1897/98-1987) und Mohammad Taghī-ye Sharīaʿtī (1907/08-1987) unter dem Einfluss Kasrawīs entstanden ist. In der Rezeptionsgeschichte wurden Kasrawīs Kritikpunkte am Kharābātīgarī und dem Sufismus von einzelnen Forschern vollumfänglich thematisiert. Kasrawī wird wörtliches Verständnis von und mangelnde Vertrautheit mit Dichtung vorgeworfen. Von vielen wird die These vertreten, Kasrawīs Kritik an den grossen persischen Dichtern erfolge aus einer moralischen Perspektive. In ihren Augen lehnt Kasrawī «die Kunst um der Kunst willen» ab. Er votiere für «die Kunst um der Gesellschaft willen». Auch wird betont, Kasrawīs Kritik an der Dichtung und am Sufismus sei von Nāser Khosrow und vielen säkularen Denkern des Iran wie Ākhūndāze und Kermānī beeinflusst, was durchaus stimmen kann. Ein Einfluss von Letzterem wurde in der vorliegenden Arbeit belegt. Ebenso wurde diesbezüglich eine Wirkung Kasrawīs auf Persönlichkeiten wie ʿAlī-ye Dashtī und Āl-e Ahmad in der Rezeptionsgeschichte identifiziert. Es scheint, dass Kasrawīs Verständnis des Materialismus nur vor der islamischen Revolution thematisiert wurde. Damit haben sich bloss einzelne Personen wissenschaftlich befasst. Sie vertraten die These, Kasrawī sei mit dem Materialismus und der Schule von Taghī-ye Arānī nicht wirklich vertraut, sein Verständnis davon sei unwissenschaftlich und er sei aus einer moralischen Perspektive an das Thema herangegangen. Hinsichtlich der Beweggründe für Kasrawīs Auseinandersetzung mit Religion wird von vielen Rezipienten stark die These vertreten, er habe mit seiner Pākdīnī eine nationale Einheit im Iran herbeiführen wollen. Diesbezüglich wird Kasrawī manchmal kritisiert, sein religiöses Engagement beinhalte heterogene Ideen wie die gleichzeitige Förderung von Demokratie und religiöser Einheit. Anhand der Rezeptionsgeschichte konnten auch folgende Punkte festgestellt werden: (1) Kasrawīs Schriften wurden u.a. in grossen Städten des Iran wie Täbris, Teheran, Ghom, Schiras, Maschhad und Ahwas gelesen und erreichten schon vor der islamischen Revolution zahlreiche Auflagen. (2) In der Forschung wurde Kasrawīs Religionsverständnis und seine Religionskritik wohl nur in einer Monographie vollumfänglich beschrieben. Die meisten Forschungen sind interpretativer Natur. (3) Der universelle Aspekt von Kasrawīs Pākdīnī und sein Zeitgeist wurden in der Forschung nur am Rande behandelt. (4) Eine (repräsentative) Rezeptionsgeschichte wurde bis anhin auf Persisch nicht vorgenommen.
Item Type: | Thesis |
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Dissertation Type: | Single |
Date of Defense: | 21 September 2021 |
Subjects: | 200 Religion > 290 Other religions |
Institute / Center: | 06 Faculty of Humanities > Department of Art and Cultural Studies > Institute for Islamic and Middle Eastern Studies |
Depositing User: | Hammer Igor |
Date Deposited: | 15 May 2023 08:37 |
Last Modified: | 30 Oct 2023 23:25 |
URI: | https://boristheses.unibe.ch/id/eprint/4295 |
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